Montag, 19. Juli 2010

Systemwechsel bei der Entschädigung für rechtsstaatswidrig verzögerte Strafverfahren

Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hatte aufgrund einer Vorlage des 3. Strafsenats über die Frage zu entscheiden, in welcher Form ein Angeklagter dafür zu entschädigen ist, dass das gegen ihn betriebene Strafverfahren von den Strafverfolgungsbehörden in rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbarer Weise verzögert worden ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs waren die Belastungen, denen ein Angeklagter durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens ausgesetzt ist, durch eine bezifferte Herabsetzung der ohne diese Verzögerung angemessenen Strafe auszugleichen (Strafabschlagsmodell). Anlass für die Vorlage des 3. Strafsenats war vor diesem Hintergrund die Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Oldenburg, in dem der Angeklagte wegen besonders schwerer Brandstiftung und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden war, obwohl das Strafgesetzbuch (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) schon allein für das Brandstiftungsdelikt Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vorsieht. Das Landgericht hat diese Mindeststrafe unterschritten, um dem Angeklagten einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass zwischen dem Eingang der Anklage am 5. Oktober 2004 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24. Mai 2006 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe, in dem das Verfahren nicht betrieben worden sei. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch ohne Berücksichtigung dieser Verfahrensverzögerung für das Brandstiftungsdelikt nur die Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe verwirkt gehabt hätte. Um der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zum Ausgleich rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen gerecht zu werden, hat das Landgericht keine andere Möglichkeit gesehen, als den Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 Nr! . 2 StGB (Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahre) analog § 49 Abs. 1 StGB zu mildern und innerhalb des so eröffneten Strafrahmens (zwei Jahre bis elf Jahre drei Monate Freiheitsstrafe) eine Einzelstrafe von drei Jahren und zehn Monaten festgesetzt. Für den versuchten Betrug hat es nicht auf die an sich für verwirkt erachteten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr, sondern auf eine solche von sechs Monaten erkannt und sodann aus diesen beiden Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren gebildet; ohne die Verfahrensverzögerung hätte es eine solche von fünf Jahren und zehn Monaten ausgesprochen.

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Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 08.02.2008

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